Um 1700 begannen Komponisten im Verlaufe eines Kulturaustausches von Italien nach Frankreich den „italienischen Stil“ mit dem „französischen Gout“ zu vereinen. Die daraus hervorgegangenen französischen Kantaten und Arietten bestechen durch diese Stilmischungen, über welche antike Liebesgeschichten ausdrucksstark in breitem Gefühlsspektrum erklingen. Heute sind die vielseitigen Stücke weitestgehend in Vergessenheit geraten. Hier eine Kantate von Brunet de Moland:
Le Destin de Narcisse - Das Schicksal des Narziss
(Dichter unbekannt)
Inhalt: Der unglücklich in die Hirtin Silvie verliebte Hirte Tircis und der Satyr und Waldgeist Faune treffen aufeinander. Faune fragt Tircis, warum er allein und traurig sei. Tircis erzählt von Silvie, die seine Liebe nicht erwidere. Faune empfindet Liebe als Schwäche. Tircis beneidet jene, die nur sich selbst am Herzen liegen und keinen Liebeskummer zu fürchten haben. Als Beispiel nennt er das Schicksal von Narcisse, der nicht lieben konnte, aber viele verletzt hat und deshalb bestraft wurde. Faune verspottet die „tragische Liebeszene“ und schwört auf die erfüllende Wirkung von Alkohol (Dithyrambus). Beide möchten den jeweils anderen von ihrer Seite (Amour vs. Bacchus) überzeugen. Tircis erzählt weiter von Narcisse: Echo gestand jenem ihre Liebe, doch er verschmähte sie. Auch andere Nymphen erlitten durch ihn gebrochene Herzen, weshalb ihn Amour schließlich bestrafte: Narcisse verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild. Doch er erkannte seinen Fehler und nahm sich das Leben. Seine letzten Worte verhallten im Echo; Echo selbst erblickte noch einmal ihren sterbenden Geliebten und klagte fortan. Nachdem Tircis die Erzählung beendet, rät Faune ihm erneut, von der Liebe abzulassen und stattdessen dem Weingenuss zu frönen. Beide können aber hierin nicht übereinkommen: Tircis möchte weiter auf die Liebe hoffen, Faune aber sieht darin weitere Leiden.